Mittwoch, 16. März 2011

Vor zwanzig Jahren: Keine geraden Linien

Manche seiner Bilder sind so bekannt, dermaßen unverwechselbar in ihrem Stil, dass auch Menschen, die sich nicht groß für Kunst interessieren, bei ihrem Anblick spontan sagen: "Aber das ist doch von... Mondrian!" Gerade schwarz Linien, rechte Winkel, ein paar leuchtende Grundfarben, geometrische Formen... Diese Kunstrichtung ist uns sogar so vertraut, dass sie als Inspiration für alle möglichen Produkte dienen muss:




Überraschend ist für viele Menschen, dass Piet Mondrian zu Beginn seiner Laufbahn ganz andere Bilder gemalt hat - typische impressionistische Kunst, die sich in der Folgezeit stetig veränderte und weiterentwickelte, bis sich sein unverwechselbarer Stil voll ausgeprägt hatte. Mondrian-Bilder, die weniger streng und reduziert sind, haben zwar einen geringeren Wiedererkennungseffekt, aber vielleicht gefallen sie mir gerade deshalb besser, weil ich es nicht so streng strukturiert, reduziert, hart und abstrakt mag. So ist Leben meiner Erfahrung nach einfach nicht - und Lebewesen noch viel weniger.  






Auch das Pferd, über das ich im August 2009 einen vergleichsweise kurzen Bericht schrieb, hatte ein buntes, vielfältiges, leider nicht immer schönes Leben. Ähnlich wie der Maler Piet Mondrian, nach dem es benannt worden war, machte es eine rasante Fortentwicklung durch. Wie der Künstler auch musste es eine Weile emigrieren - und wäre doch vielleicht angesichts dessen, was ihm anderswo geschah, lieber "zu Hause" im Ruhrgebiet geblieben. 


Eine Zeit lang war das Pferd, um das es in diesem Beitrag geht, jedenfalls in Deutschland mindestens so bekannt wie sein malender Namensvetter und löste durch seinen größten Erfolg, der ihm an einem Sonntag im Juli 1989 in Hamburg auf Kosten eines anderen Vierbeiners gelang, heftigste, emotional geführte Diskussionen über gerade Linien und deren (Nicht-)Einhaltung aus. Geändert haben diese Debatten nichts, denn was geschehen war, war geschehen. Die eine Chance auf den größten Triumph eines Vollblutlebens war für den einen vorbei, und für den Protagonisten meiner Geschichte blieb dieser Moment des Triumphs darum nie ungetrübt.


Was kam danach? Große Erfolge, viele Emotionen und eine ambitionierte Entscheidung, die schweren Schaden anrichtete, großes Erschrecken und ein Versuch der Wiedergutmachung an einem Pferd, das für viele beglückend bunte Rennbahnmomente gesorgt hatte. Ein buntes Pferdeleben also, das zumindest bescheidene Spuren bis in die heutige Zeit hinterlassen hat - und alles andere als einfarbig oder abstrakt!
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Es war einmal vor 20 Jahren

Genau zwanzig Jahre ist es schon her, seit ein Pferd namens Mondrian in Gelsenkirchen-Horst den 33. Aral-Pokal gewann. Grund genug, dem von Uwe Stoltefuß in Dortmund trainierten Fuchshengst (ein eher dunkler Fuchs, wenn man die Fotos von damals betrachtet) einen eigenen Beitrag zu widmen. Der Sieg in Gelsenkirchen-Horst trug nämlich vor allem dazu bei, Mondrians Rolle als führendes Pferd des Derby-Jahrgangs zu unterstreichen, nachdem er sich zwei Rennen zuvor den Derby-Sieg nur durch die höchst umstrittene und heftig diskutierte Disqualifikation von Taishan am grünen Tisch geholt hatte. Auch nach der Bestätigung dieser Zurückstufung Taishans durch das Renngericht und Mondrians leichtem 1½-Längen-Sieg im Großen Preis der Berliner Bank haftete dem ganzen Geschehen noch ein merkwürdiger Geruch an. Nicht wenige unterstellten Mondrians Reiter, er habe sich das Derby nur durch eine ausgeklügelte Schwalbe gesichert. In Gelsenkirchen jedoch schlug Mondrian Taishan und vier Konkurrenten aus dem Ausland (darunter mit Alwuhush wohl den hochkarätigsten Gegner) klar und deutlich. Immerhin sieben Längen lagen nun zwischen den beiden Pferden.

Mondrian war schon ein guter Zweijähriger gewesen, der nie viel Arbeit vertrug, aber bei allen seinen sechs (!) Starts Geld verdient und spät im Jahr auch einmal gewann. In seiner Dreijährigen-Saison hatte er schon das Consul-Bayeff-Rennen für sich entschieden, und nach dem Aral-Pokal war er dreifacher Gruppe-I-Sieger – eine Auszeichnung, der er dann in Baden-Baden mit dem vierten Sieg auf diesem Level die Krone aufsetzte. Auch in der folgenden Saison beherrschte Mondrian die deutschen Rennen über die klassische Distanz. Im eigenen Land hatte er 1990 keinen Gegner zu fürchten, und sogar seinen Dauerrivalen Ibn Bey aus dem Stall von Paul Cole bekam er nach dem dritten Versuch in den Griff. Lediglich Filia Ardross, die Super-Stute des Jahrgangs, konnte in Düsseldorf noch halbwegs mithalten. Im Ausland wollte es bei verschiedenen Starts allerdings nicht so recht klappen.

Leider nahm Mondrians „Geschichte“ im folgenden Jahr 1991 einen traurigen – manche würden auch sagen skandalösen – Verlauf, denn er wurde zu Paul Cole nach England überstellt. Was auch immer dort geschehen sein mag – der Mondrian, der im Herbst in Baden-Baden antrat, war nicht das Pferd, das das deutsche Publikum inzwischen ins Herz geschlossen hatte. Er wurde abgeschlagen und völlig chancenlos Neunter von neun angetretenen Pferden und war in einem derart jämmerlichen Zustand, dass seiner früheren Pflegerin die Tränen kamen und der Jahresrennkalender für 1991 vermerkt: „Und man mochte gar nicht hinsehen, wie Mondrian, der Mondrian, der uns in Iffezheim schon so viel ‚thrill’ geliefert hatte, wie ein krankes Pferd ins Ziel geschlichen kam.“ Deutliche Worte des Zorns und der Enttäuschung für die Besitzer, die ihn völlig überraschend mit der Entscheidung konfrontiert hatte, dass Mondrian nach England gehen werde, findet Uwe Stoltefuß in Traute Königs Buch „Turfgeschichten“: „Es war unfaßbar. Den haben sie richtig hingerichtet.“

Mondrian blieb in Deutschland und wurde 1992 Deckhengst in Röttgen. Später stand er dann in den Gestüten Weserland und Trona, wo er 2005 an Herzversagen im Alter von 19 Jahren einging. Der ganz große Erfolg war ihm als Deckhengst nicht vergönnt, aber sein Sohn Well Made war ein Könner. Und passenderweise gewann sein inzwischen achtjähriger Sohn Durani als Überraschungssieger gerade erst das letzte Rennen des Meetings in Bad Doberan.

Der Aral-Pokal ist inzwischen ebenso Geschichte wie die Rennbahn in Gelsenkirchen-Horst und der tolle Mondrian. Heute wird als vergleichbares Rennen Mitte August der Rheinland-Pokal in Köln ausgetragen. Aber Mondrians Leistungen auf dem grünen Rasen sind sicher in vielen Erinnerungen lebendig und werden es noch eine ganze Weile bleiben.

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