Dienstag, 29. März 2011

Vor 18 Jahren: Happy Birthday, Wurftaube!

Der Text, den ich heute veröffentliche, ist exakt vor einem Jahr geschrieben worden. Das ist wenig verwunderlich, denn den Anlass bildete ein Geburtstag, und es liegt nun einmal in der Natur der Dinge, dass solche Tage einmal im Jahr wiederkehren. Das Pferd, dem der Bericht gewidmet ist, ist somit heute auch wieder ein Jahr älter geworden - zumindest wenn es nach den tatsächlichen Daten geht. Offiziell hat diese für mich ganz besondere Stute natürlich wie alle Vollblüter schon am 1. Januar 2011 ihren 18. Geburtstag gefeiert. Überhaupt wird es ihr recht egal sein, dass sie heute vor achtzehn Jahren, am 28. März 1993, das Licht der Welt erblickte, aber für mich ist es einfach ein schöner Anlass, um mich in nostalgischen Erinnerungen an dieses wunderbare Rennpferd zu versenken.




Warum ich ausgerechnet dieses stimmungsvolle Bild von Franz Marc mit ihr verbinde, ist rasch erklärt. Es hängt nämlich als Kunstdruck an meiner Wand, und direkt daneben befindet sich seit Jahren ein gerahmtes Bild aus dem grünen Galoppkalender von damals, das das heutige "Geburtstags"-Pferd zeigt - meine Lieblingsstute Wurftaube. Sehe ich ihr Bild an, sehe ich also gleichzeitig auch den Druck des kleinen blauen Pferdes von Franz Marc.


Den Text aus dem vergangenen Jahr habe ich passend zu Wurftaubes achtzehntem Geburtstag ein wenig überarbeitet, da ich inzwischen durch ein sehr nettes Geschenk eine deutlich bessere Informationsgrundlage zu den Pferden ihres Heimatgestüts zur Verfügung habe als dies im März 2010 noch der Fall war. Wäre sie ein Mensch, hätte sie heute endlich die Volljährigkeit erreicht. So aber befindet sie sich bereits im reiferen Pferdealter, hat sicherlich eine Menge erlebt und wohl nicht nur mir ungeheuer schöne Rennbahn-Momente beschert.


Wo auch immer sie den heutigen Frühlingstag verbracht hat (vermutlich ja auf einer Koppel  in der Nähe von Gütersloh) - ich wünsche meiner Wurftaube noch viele weitere quicklebendige und angenehme Jahre. Happy Birthday, du tolles Pferd!




Es war einmal vor 17 (oder inzwischen 18) Jahren 

Es ist es ja vermutlich bei vielen regelmäßigen Rennbahnbesuchern so, dass ihnen irgendwann einmal – oft völlig unverhofft – ein ganz bestimmtes Pferd begegnet, das sie aus welchen Gründen auch immer so schnell nicht mehr loslässt, dessen Karriere und Laufbahn sie aufmerksam verfolgen, dem sie alles Glück der Welt wünschen und dessen Leistungen auf der Rennbahn sie – eine ausreichende Portion Hals und Bein vorausgesetzt – mit großer Freude erfüllen. Es geht um dieses ganz besondere Pferd, das sie voller Erwartung und unterdrückter Hoffnung auch weite Strecken fahren lässt, nur um dabei zu sein, um live zuschauen zu können, um vor Ort die Daumen zu drücken und es – je nach individuellem Temperament – anzufeuern und zu jubeln, wenn diese Hoffnungen sich tatsächlich erfüllen. Es ist das Pferd, das sie schon im Führring ungesattelt erkennen, das ihr Herz durch sein bloßes Erscheinen höher schlagen lässt und dessen Schritte sie mit angehaltenem Atem verfolgen, bis es ganz nahe an ihnen vorbeigeführt wird... so nah, dass sie es eigentlich fast berühren könnten, wenn sie sich denn trauen würden. Ein ganz besonderer Liebling eben... 

In dieser Geschichte geht es um mein ganz besonderes Pferd – um eine Stute namens Wurftaube. Ich bin schon im vergangenen Jahr gelegentlich gedrängt worden (vermutlich habe ich an diversen Führringen stehend etwas zu oft und zu enthusiastisch von ihr geschwärmt), mal etwas über sie zu schreiben und hatte mir dies für 2010 fest vorgenommen, auch wenn es eigentlich kein ganz rundes Jubiläum gibt, das als Anlass dienen könnte. So feiern wird eben einfach Wurftaubes Geburtstag... ihren siebzehnten Geburtstag, um genau zu sein. Und man wird ja bekanntlich nur einmal siebzehn! 

Der 28. März scheint ein guter Geburtstag für große Rennpferde der späten 90er Jahre gewesen zu sein, denn die großartige Ravensberger Fuchsstute teilt ihn sich mit einem gewissen Tertullian, ist aber zwei Jahre älter als der Deckhengst. Fliegerdistanzen waren allerdings ihre Sache nicht – im Gegenteil: Sie fühlte sich auf Steherstrecken am wohlsten, was bei der Vaterschaft eines gewissen Acatenango ja auch wenig verwunderlich ist. 



Ihre Mutter Wurfbahn war im Vergleich zum berühmten Vater Wurftaubes mit eher überschaubarem Renntalent gesegnet und gewann in ihrer einzigen aktiven Saison 1987 lediglich ein Rennen, ein Nachwuchsreiten mit Andre Best im Sattel.


Wurfbahns einziger Sieg


An dieses Rennen kann ich mich kurioserweise auch noch erinnern, denn ich war mit meinem damals noch recht kleinen Cousin Michael auf der Mülheimer Rennbahn. Jener Cousin wollte als Kind immer Jockey werden und fand die Frisur von Andre Best seinerzeit so toll (zum Glück sind die 80er Jahre vorbei!), dass wir unbedingt Wurfbahn anfeuern mussten. Mich persönlich hat ihr Name ja eher an die verhassten Bundesjugendspiele und meinen Erzfeind, den Schlagballweitwurf, erinnert, aber meinem Cousin zuliebe habe ich mitgespielt. Möglicherweise hat Wurfbahn ja nur deshalb ihr Rennen gewonnen.

Es blieb zwar ihr einziger Sieg, aber dennoch nahm man sie im Heimatgestüt Ravensberg als Vertreterin der berühmten W-Linie, die auf die famose Gründerstute Waldrun zurückgeht, in die Zucht. Dies war sicher rückschauend eine sehr gute Entscheidung, denn eigentlich haben sie bislang all ihre gelaufenen Kinder auf der Rennbahn deutlich übertroffen. Vor allem Wurfscheibe und Wurfspiel machten auf höherer Ebene von sich reden, und ihr Sohn Wurfstern, den man leider nun schon lange nicht mehr auf einer Rennbahn gesehen hat, obwohl er beim DVR weiter als aktiv gelistet wird, war in den Jahren 2007 und 2008 ein erklärter Underdog-Publikumsliebling.



Wunderblume - ein wenig Ähnlichkeit mit ihrer großen Schwester hat sie schon, oder?


Wurfbahns letztes Fohlen, bei dessen Geburt sie leider einging, ist die inzwischen dreijährige, unverwechselbar kreativ benannte Stute Wunderblume, die bei Andreas Wöhler im Training ist. Ich bin schon gespannt, wann sie sich erstmalig auf der Rennbahn vorstellen wird. 


Wurfbahns erstgeborene Tochter Wurftaube war aber auch unter diesen zahlreichen Nachkommen etwas ganz Besonderes, selbst wenn man das an jenem 28. März 1993, als ich vermutlich gerade unter stillen Verwünschungen Mathe für die Abiturprüfungen paukte, kaum ahnen konnte. So sah die junge Dame, die in der Nähe von Gütersloh das Licht der Welt erblickte, kurz nach ihrer Geburt aus: 

Wurftaube, sechs Tage alt, auf der Koppel mit Mama 

Ehe ich sie drei Jahre später das erste Mal zu Gesicht bekam, war die Kleine dann zum Glück noch ein wenig gewachsen und sah auch allgemein weniger struppig aus!

Hier schließt sich für mich eine weitere ganz aktive Erinnerung an, denn schon die Anreise zu Wurftaubes erstem Rennbahnauftritt ist mir intensiv im Gedächtnis geblieben. Und dabei war ich am 14. April 1996 gar nicht mit dem Ziel nach Gelsenkirchen gefahren, mich endlich in mein persönliches ganz besonderes Rennpferd zu vergucken. Das kann man ja auch nicht planen. Im Gegenteil: Es war eben einfach Saisonanfang, und ich war wie üblich voller Neugierde auf die Grasbahnsaison und gesegnet mit jeder Menge Tatendrang. Das Wetter spielte mit, eine gute Freundin war im Schlepptau – einem herrlichen Frühlingsnachmittag auf der Rennbahn stand also nichts mehr im Wege. 

Mit der Straßenbahn sind wir vom Essener Hauptbahnhof, wo wir uns die aktuelle Sport-Welt gegönnt hatten, von Haltestelle zu Haltestelle gen Gelsenkirchen-Horst gezockelt, und unterwegs haben wir die Starterfelder studiert. Wir waren beileibe keine großen Wetterinnen, spielten aber gerne ein Punktespiel gegeneinander, bei dem es meistens um eine Einladung zum Pizzaessen beim Lieblingsitaliener ging. Und dazu musste man sich ja umfassend informieren... 

Meiner Freundin ist der Name „Wurftaube“ zuerst aufgefallen, und zwar als ausgesprochen verschroben amüsant. Auch meine (von meinem Patenonkel "geerbten") Erklärungsversuche, dass solche aus Feld, Wald, Wiese und Jägerlatein stammenden Namen bei Ravensberger Pferden eben Tradition seien, zogen nicht recht. 





Man muss dazu wissen, dass wir einige Jahre zuvor auf der Mülheimer Rennbahn eine andere Ravensberger Stute kennen und mögen gelernt hatten, deren Namen – Wolkenlos – wir beide wunderschön fanden. Und im Vergleich dazu hatte Wurftaube, wie ich meiner unbarmherzig kichernden und mitten in der Straßenbahn das Werfen von flatternden Tauben imitierenden Freundin insgeheim Recht geben musste, namenstechnisch wirklich nicht das große Los gezogen. Ihr Fazit: „Die wette ich. Das arme Ding hat so einen hässlichen Namen. Da kann man nur Mitleid haben.“ 


Es geht ja, wie schon gelegentlich betont, nichts über rationale Wettentscheidungen. 

In Gelsenkirchen endlich angekommen wurde immer noch über den Namen der bislang unbekannten Stute gewitzelt. Nur ein Pferd hatte es laut Sport-Welt an jenem Tag noch heftiger getroffen, nämlich die im Hauptrennen des Tages engagierte Stute Kill the Crab. Auch die wollte meine Freundin aus Mitleid wetten... 

Es war der erhofft schöne Rennbahntag, wobei ich sagen muss, dass ich mich persönlich in Gelsenkirchen-Horst früher immer sehr wohl gefühlt habe und gerne die mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Schüler- bzw. Semesterticket umständliche Anfahrt auf mich nahm. Bis zum fünften Rennen der Tageskarte hatte ich Wurftaube allerdings beinahe schon wieder vergessen, und ich habe auch nur zufällig in die richtige Richtung geschaut, als die ersten Stuten noch ohne Sattel und Nummerndecke den Führring betraten. 



Und da habe ich es eben plötzlich entdeckt, mein ganz besonderes Pferd... einfach so, und ohne dass ich ihm zunächst einen Namen zuordnen konnte. Aber es war Sympathie auf den ersten Blick, wobei ich bis heute nicht begründen könnte, was mich spontan zu dieser nicht übermäßig auffallenden Fuchsstute so hingezogen hat. Die Symptome waren aber eindeutig – ich hatte mich in Wurftaube verguckt. 

Als wir sie dann, nachdem klar wurde, wer sie satteln würde, einmal identifiziert hatten, murmelte meine Freundin enttäuscht, sie sei ja „ein bisschen unspektakulär“ ausgefallen, blieb aber bei ihrem Entschluss für eine Sympathiewette. Ich hingegen tat, was ich häufig mache, wenn mir ein Pferd aus diesem oder jenem Grund am Herzen liegt: Ich wettete Wurftaube nicht. Im Nachhinein war das keine dumme Entscheidung, denn dieser Debütstart in Gelsenkirchen-Horst blieb das einzige Rennen, das Wurftaube nicht als Siegerin oder zumindest auf dem Ehrenrang beendete. Sie wurde allerdings in der Zielgeraden rasant schnell, nachdem sie mit deutlicher Verspätung aus der Startbox gekommen war. Hatte sie sich erschreckt? Wer weiß. Ihr Reiter Kevin Woodburn könnte diese Frage wahrscheinlich beantworten. Es ist aber ganz offenkundig noch keine Meisterin vom Himmel gefallen, und gelernt hat Wurftaube das Siegen nach ihrem Einstand als ordentliche Vierte ja dann wahrlich in rasantem Tempo. 

Wurftaube legte als Dreijährige eine Siegesserie hin, die sicher bis heute ihresgleichen sucht. Von Start zu Start, sechs mal insgesamt bei sieben Rennen, steigerte sie sich in beeindruckendem Maße, wurde eigentlich vorab ständig unterschätzt und fertigte dennoch mit jedem Mal bessere Stuten locker ab, so dass sie bei ihrem vierten Rennen überhaupt bereits zur Gruppesiegerin avancierte – unter anderem gegen eine gewisse Kill the Crab, die damals auf Gruppe-Ebene trotz (oder wegen?) ihres Namens für einige Furore sorgte. 



Einfach ein schönes Bild: Wurftaube nach ihrem ersten Gruppesieg Ende Juni 1996 in Hamburg mit ihrem erfreuten Team (Besitzer Reinhard Delius, Jockey Peter Schiergen, Trainer Harro Remmert)


Hamburg, Hannover und Baden-Baden als Spielorte ihrer tollen Auftritte lagen leider damals noch außerhalb meiner autolosen Reisemöglichkeiten, so dass ich Wurftaube 1996 nur noch zweimal laufen – und selbstredend gewinnen – sah. Unsere zweite Begegnung erfolgte im Sommer in Krefeld, als sie sich das Ludwig-Goebels-Erinnerungsrennen holte und dabei unter anderem die Diana-Dritte Anno Luce in den Farben Scheich Mohammeds schlug, die damals bei Uwe Ostmann trainiert wurde. Ein klasse Rennen, und Wurftaube hatte sich seit ihrem ersten Start in Gelsenkirchen erstaunlich entwickelt. Ich erinnere mich an ein ganz abgeklärtes und konzentriertes Pferd, das nach seinem souveränen Sieg im Absattelring zusammen mit ihrem ganzen Team und dem ausgesprochen breit grinsenden Jockey Kevin Woodburn lebhaft gefeiert wurde. 

Es war dennoch nicht das letzte Mal, dass man die bildhübsche Fuchsstute mit den zwei weißen Fesseln hinten, die es stets schaffte, gleichzeitig kraftvoll-muskulös und doch auch grazil auszusehen, unterschätzte und anzweifelte, ob es ihr erneut gelingen würde, mit der notwendigen Steigerung aufzuwarten, um wieder bessere Konkurrenz zu bezwingen. Wurftaube tat es einfach, auch als nun statt den anderen Stuten des Jahrgangs im Fürstenberg-Rennen in Baden-Baden der Vergleich gegen die Hengste anstand. Vorab war hier nur einer Favorit: der sehr gute Fährhofer Surako, der Zweiter im Union-Rennen und im Deutschen Derby gewesen war. Ob Wurftaube gegen ihn überhaupt eine Chance haben würde? 

Sie hatte – und wie! Surako und Narrabeth stritten sich um die Plätze und beschäftigten die Stewards ganz kräftig, doch Wurftaube ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie gewann einfach ihr fünftes Rennen in Folge beim sechsten Start. Und weil es so schön war, planten Trainer Harro Remmert und Wurftaubes ständiger Jockey Kevin Woodburn dann mit der Ravensbergerin, die für das westfälische Gestüt eine längere Durststrecke beendete, noch eine Zugabe in Form eines Starts im St. Leger. Nach den einheimischen Stuten und den gleichaltrigen Hengsten musste sich Wurftaube hier erstmals über lange 2800 Meter und gegen starke ausländische Konkurrenz behaupten, denn mit Samraan war immerhin der Dritte des englischen Pendant-Rennens angereist. Natürlich wurde er postwendend Favorit. Und dann war da ja auch noch die Diana-Siegerin Night Petticoat... Und überhaupt hatte Wurftaube ja eine lange Saison hinter sich... Und außerdem war der Boden in Dortmund-Wambel nach tagelangen ergiebigen Regenfällen und zeitweisem Hagel kaum mehr als eine riesige Matschfläche... Auf solchem Boden war Wurftaube noch nie gelaufen. 



Konnte das alles wirklich gut gehen? 

Ich erinnere mich genau daran, wie ich mir mühsam den Termin freischaufelte, weil ich das Rennen auf keinen Fall verpassen wollte. Nach Dortmund war es ohne Auto eine kleine Weltreise, aber der Ausflug hat sich mehr als nur gelohnt, denn Wurftaube kam, sah und siegte. Eine bessere Beschreibung kann es für ihren Auftritt eigentlich nicht geben. Locker überlegen mit elf Längen Vorsprung vor Night Petticoat erreichte sie das Ziel. Kevin Woodburn musste sich lediglich festhalten und grinste über beide Backen, als er ordentlich schlammverspritzt mit der gar nicht übermäßig angestrengt wirkenden Stute durchs Ziel flog. Während die letzten Gegner irgendwann eintrudelten, ließ Wurftaube sich im (zumindest in meiner Erinnerung) von Hagelkörnern übersäten Absattelring bereits ein wenig knuddeln und beäugte interessiert die Ehrenschleife, die sie nun zum Saisonabschluss auch noch als klassische Siegerin auswies. 

Viel wurde damals spekuliert, wie es wohl mir ihr weitergehen würde, aber im Spätherbst folgte die Nachricht, sie solle noch eine weitere Saison im Training bleiben. Mir hat das Anlass zu einem kleinen Luftsprung gegeben, denn ich wollte meine Wurftaube unbedingt noch einmal laufen sehen. Ich war nicht der einzige Mensch, der so reagierte. Vor allem eventuellen Duellen der Traumstute mit Derbysieger Lavirco wurde mit Spannung entgegen geblickt, doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht, da der Fährhofer seine Laufbahn frühzeitig beendete. Wurftaube hingegen begann die neue Saison 1997 so wie sie ins Winterquartier gegangen war. Sie gewann – und zwar den Gerling-Preis, erneut gegen einen gewissen Surako und den eisenharten Protektor. Diesmal hatte man sie allerdings nicht unterschätzt, sondern sie zur klaren Favoritin gemacht. Und ich war wieder dabei - noch ein persönliches Freudenfest auf der Kölner Rennbahn! 

Zwei weitere Rennen hat Wurftaube 1997 als Vierjährige danach noch bestritten, und zwar den Badener Preis der Wirtschaft und den Deutschland-Preis in Düsseldorf. Bei ihrem insgesamt neunten Lebensstart wurde sie erstmals wieder bezwungen, und zwar nur von einem Spitzengalopper namens Oxalagu, der lustigerweise am Tag ihres Lebensdebuts auch schon in Gelsenkirchen - dort allerdings bereits auf Gruppeebene in ganz anderen Sphären - siegreich gewesen war. Dass die beiden Pferde sich einmal so wiedertreffen und den Zuschauern ein packendes Duell schenken würden, hat Anfang 1996 sicher noch niemand prophezeien können. 

Hochkarätiger konnte die Konkurrenz, der sich Wurftaube inzwischen stellen musste, wohl kaum mehr werden, und noch ein weiteres Mal habe ich es geschafft, einen von Wurftaubes Starts – ihren letzten, wie sich später herausstellte – mitzuerleben. Dass die Stute zuvor wegen angegriffener Bänder ein wenig im Training hatte aussetzen müssen, wusste ich damals allerdings nicht. Mir war es einfach nur wichtig, dabei sein zu können, und dass Wurftaube in einem hochkarätigen Rennen lief, war gar nicht so entscheidend. Für mein erklärtes Lieblingspferd wäre ich wohl auch angereist, wenn es „nur" in einem Ausgleich II gestartet wäre.



Weil ich nicht auf den Grafenberg trampen wollte, erbarmte sich mein Vater und fuhr mich mit der gleichen Freundin, mit der diese Geschichte beginnt, netterweise nach Düsseldorf. Die erinnerte sich tatsächlich nach einigen Monaten Rennbahnabstinenz auch noch an das „unspektakuläre Pferd mit dem komischen Namen“ und staunte nicht schlecht, als sie von deren sensationeller Karriere erfuhr und sie dann am Führring erblickte. Wieder hat sie sie gewettet, und wieder habe ich davon Abstand genommen. Und wieder ist Wurftaube ein ausgezeichnetes Rennen gelaufen, auch wenn sie gegen den englischen Gast Luso, der ein solides GAG von ca. 100 aufzuweisen hatte und sich weltweit auf Gruppe-I-Ebene tummelte, nicht ganz ankam. So beendete sie, früher als erhofft, da die Bänder nicht mehr recht mitspielen wollten, ihre Laufbahn mit einem schönen zweiten Platz und ging – natürlich – in die Zucht ihres Heimatgestüts. 

Noch immer ist sie dort als Zuchtstute aktiv, wobei ihre Kinder an die Leistung der Mutter bislang noch nicht recht herangekommen sind. Waldvogel war bislang wohl ihr Bester, und im vergangenen Jahr ließ auch ihre nach wie vor im Training befindliche Tochter Waldjagd mit einem schönen Maidensieg in Köln und mehreren ansprechenden Platzierungen aufhorchen.



Auch in der Enkelgeneration, die u.a. vom Gestüt Brümmerhof und vom Newsells Park Stud gepflegt wird, gibt es bereits richtig gute Pferde. Da ist die viel versprechende Waldliebe zu nennen, die immerhin einmal deutlich vor einem gewissen Adlerflug im Ziel war und sich dann als Dreijährige in Köln auf der Zielgeraden ganz tragisch das Bein brach, und vor allem gibt es natürlich noch Wurftaubes Nachfolger in meinem Herzen, Wiesenpfad, ein Pferd, dem nicht nur wegen seiner tollen Großmutter meine ungeteilte Sympathie galt und weiter gilt. Über ihn werde ich sicher auch noch einmal schreiben, aber das wird vermutlich ein eigenständig abendfüllender Bericht werden. 



Wurftaube selbst hat aber darüber hinaus an Wurfscheibe und Wurfspiel noch zwei sehr erfolgreiche Geschwister und mit Wildfährte eine ziemlich talentierte Nichte, die allesamt inzwischen in der Zucht tätig sind. Man darf gespannt sein, was aus dieser traditionellen deutschen Pferdefamilie in Zukunft auf der Rennbahn noch zu sehen sein wird. Waldpark, Waldtraut, Wiwilia und Wiesenweihe sind Namen, die ich in Zukunft aufmerksam verfolgen werde.

Einstweilen aber: Happy Birthday, Wurftaube, und vielen Dank für die tollen nostalgischen Erinnerungen!

1 Kommentar:

  1. Jaja, die Ravensberger ;) Wobei ich mich bei dem verlinkten Bild von Wurftaubes Sieg in HH ja gefragt habe, ob der selbe Dress heute noch verwendet wird :P
    Die Wunderblume ist aber irgendwie in der Versenkung verschwunden, oder? Schade eigentlich bei dem Namen.
    Ach ja, wenn du mal Fotos aus 2010 oder 2011 brauchst, nö? ;)

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