Heute gibt es gleich noch einen Bericht, wenn auch keinen ganz neuen, sondern einen Beitrag, den ich im Tippspielforum schon im vergangenen Herbst anlässlich des Preises des Winterfavoriten veröffentlicht hatte. Er passt allerdings auch gut zum heutigen 27. April, denn heute vor 25 Jahren absolvierte das Pferd, um das es in diesem Text geht - der Winterfavorit des Jahres 1985 eben - seinen ersten Jahresstart in seiner Dreijährigensaison. Und er gewann erneut... wenn auch seine spätere Laufbahn eine deutlich andere Wendung nahm als es sich damals sein Umfeld wohl erhofft haben mag. Derbysieger wurde er nicht, aber noch heute bekommen ältere Rennbahnfans bei der bloßen Erwähnung seines Namens, Oldtimer, glänzende Augen.
Genau genommen hatte die Welt an jenem Sonntag Ende April 1986, als vor genau 25 Jahren dieser Oldtimer dreijährig erstmals wieder auf die Rennbahn kam, andere Sorgen - oder genauer gesagt: Sie sollte bald ganz massiv andere Sorgen haben als ein Pferderennen, denn am Tag zuvor war weit entfernt, aber doch unheimlich und unfassbar nah in der UdSSR ein Atomkraftwerk namens Tschernobyl explodiert und zum größten Teil ausgebrannt. Das machte viele andere Dinge bald zur Nebensache...
Kaum zu glauben, dass diese Zeit, an die ich mich noch intensiv erinnern kann, nun auch schon ein Vierteljahrhundert her ist.
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Es war einmal vor 25 Jahren
Silvaner heißt der Winterfavorit dieser nun bald ausklingenden Grasbahnsaison 2010 – das wissen wir seit dem ausgesprochen mitreißenden Finish des Rennens gegen Nice Danon am vergangenen Sonntag. Vor fünfundzwanzig Jahren mussten die Galoppsportfreunde ein wenig länger warten, um ihren Winterfavoriten zu bejubeln, denn das fragliche Rennen wurde erst am 20. Oktober 1985 im Weidenpescher Park entschieden. Ob Silvaner mit seinen künftigen Auftritten auf dem grünen Rasen aber derart eindrucksvoll in Erinnerung bleiben wird wie sein Vorgänger vor einem Vierteljahrhundert, kann jedoch nur die Zukunft zeigen. Zu wünschen wäre es dem sehr netten und wirklich hübschen Lomitas-Sohn ganz sicherlich.
Silvaner musste um seinen Sieg kämpfen. Im Vergleich dazu fiel der Rennausgang vor fünfundzwanzig Jahren – übrigens zwei Tage vor der ersten Ausstrahlung einer Fernsehserie mit dem Titel „Die Schwarzwaldklinik“ und nur eine Woche nach Massenprotesten gegen den Bau einer Wiederaufbereitungsanlage für Brennelemente in Wackersdorf – deutlich sicherer aus. Und Oldtimer, wie der damals noch überhaupt nicht alte, sondern ausgesprochen jugendlich frische Sieger von seinem Heimatgestüt Bona benannt worden war, schlug bei dieser Gelegenheit immerhin den Derbysieger des kommenden Jahres, einen gewissen Philipo, der im Preis des Winterfavoriten nur vier Längen hinter ihm und Royal Rock’s als Dritter ins Ziel kommen konnte. Auch der Zweite untermauerte die großen Hoffnungen, die man damals zu Recht an Oldtimers Zukunft knüpfen konnte, denn er mauserte sich in den kommenden Jahren immerhin noch zu einem Dauerplatzierten in den deutschen Grupperennen.
Als der zweijährige Oldtimer in Köln an den Start kam, war dies sein insgesamt viertes Rennen. Bereits bei seinem frühen Debüt im Juni 1985 hatte der Esclavo-Sohn aus der Asta-Stute Oste gewinnen können. Nur einmal hatte er bislang einen Gegner vor sich dulden müssen, und zwar den von Bruno Schütz trainierten Alagos, den anderen Top-Zweijährigen der Saison 1985. Mit einem weiteren Sieg am Mülheimer Raffelberg hatte Oldtimer sich jedoch im Berberis-Rennen (damals noch für Hengste geöffnet, ehe es wenig später als Teil der Mülheimer Young Ladies Series den Stuten vorbehalten blieb) gleich wieder erfolgreich zurückgemeldet. Obwohl wir damals schon in bequemer Laufentfernung von der Rennbahn lebten, habe ich diesen Mülheimer Auftritt von Oldtimer leider verpasst. Die Klassenfahrt hatte dann doch Vorrang. Mein Onkel allerdings – immer willens, sich von einem Pferd begeistern zu lassen – hatte beim folgenden Familientreffen nur Gutes zu berichten. Beinahe wäre ich also auch mit nach Köln zum Preis des Winterfavoriten gefahren, aber irgendetwas muss wieder geschehen sein, so dass ich auch diesen Sieg von Oldtimer mit Andrzej Tylicki nicht live miterlebt habe.
Über die Wintermonate hinweg galt Oldtimer, der von Hein Bollow trainiert wurde, also als größte Hoffnung für die Grasbahnsaison 1986. Und er machte im April auch einen guten Anfang, als er – nun wieder mit dem Stalljockey Peter Remmert – das Dr. Busch-Memorial gewann, das damals noch keinen Gruppen-, sondern nur Listenstatus hatte. Danach jedoch ging es nicht mehr so erfolgreich weiter. Zwar versuchte man mit Oldtimer die damals noch klassische Route zum Derby zu gehen, aber im Mehl-Mülhens-Rennen auf der Heimatbahn konnte er als Sechster erstmals nicht überzeugen. Der zweite Platz hinter Orfano, dem ebenfalls extrem hoch gehandelten Bruder der Derbysieger Orofino und Ordos, brachte hingegen wieder etwas Hoffnung für Hamburg, die im Juli aber bitter enttäuscht wurde, als Oldtimer nur als elftes von fünfzehn Pferden ins Ziel kam.
Im Anschluss an diese so wohl kaum erwartete Niederlage war der Faden des rennsportlichen Erfolgs erst einmal gründlich gerissen. Zwar lief Oldtimer weiter mit schöner Regelmäßigkeit Rennen, aber erst 1987 konnte er sich mit einer Reihe von Platzierungen – nun aber eher auf Ausgleich-I-Ebene statt in Grupperennen wieder etwas finden. Dann jedoch kam der 20. September 1987, und damit der Tag, an dem exakt dreiundzwanzig Monate nach seinem Sieg im Preis des Winterfavoriten Oldtimers wahre Karriere begann.
Möglicherweise hatte er ja auch nur ein wenig Zeit benötigt, um seinem Namen altersmäßig näher zu kommen… Auf jeden Fall war es der Wechsel auf die Jagd- und Hindernisbahn, der die große Wende brachte und Oldtimer in den kommenden Jahren deutschlandweit zu einem vierbeinigen Helden machte. Die Besitzerfamilie Harzheim vom Gestüt Bona war dem Sport zwischen den Flaggen gegenüber immer sehr aufgeschlossen gewesen. Heinz Harzheim selbst war ein erfolgreicher Hindernisreiter und u.a. Fegentri-Champion gewesen, so dass es vermutlich folgerichtig war, Oldtimer künftig vornehmlich über Hindernisse laufen zu lassen.
Der Hengst, denn das war Oldtimer anders als so manch ein anderer Steepler nach wie vor und blieb es auch, lernte rasch. Bereits beim dritten Versuch in einem Jagdrennen gelang ihm im Sommer 1988 in Hamburg der erste Sieg, dem rasch zwei weitere Treffer folgten. Zum Ende des Jahres ging es noch einmal kurz auf die Flache zurück, denn er war am 18. Dezember 1988 der allerletzte Starter in der Trainerkarriere des großen Hein Bollow. Anders als erwartet wurde es nur ein zweiter Platz, aber diesen emotionalen Moment, miterlebt im Alter von 14 Jahren, in dem man ja für Sentimentales ganz besonders anfällig ist, habe ich noch in guter Erinnerung. Wäre es über die Sprünge gegangen… wer weiß, vielleicht hätte der inzwischen fast sechsjährige Oldtimer ja seinen Trainer doch mit einem Sieg in den Ruhestand verabschieden können.
So aber wurde er zum ganz großen Aushängeschild in der gerade erst beginnenden Trainerkarriere von Peter Remmert, seines früheren Jockeys, der den Stall von Hein Bollow übernommen hatte. Wohl kaum mehr zu überbieten ist die spektakuläre Saison, die Oldtimer 1989 erlebte, als ihm nicht weniger als acht Siege in Folge in den wichtigsten deutschen Jagdrennen gelangen. Er beendete die Saison ungeschlagen, und was seine Auftritte noch beeindruckender machte, war der Stil, in dem er zu gewinnen pflegte. Praktisch nie war, egal wer die Konkurrenten auch sein mochten, am Ende noch ein Pferd dabei, das Oldtimer auch nur entfernt Paroli zu bieten vermochte. Nicht selten notierte der Richter ein „W“ für die Weile an Vorsprung, die der vollkommen souveräne Hengst ins Ziel brachte.
Erstmals hatte ich Oldtimer in einem Jagdrennen in Krefeld im November 1988 miterlebt, und damals war auch der Funke bei mir übergesprungen, denn bislang hatte mir immer nur mein Onkel von diesem Pferd vorgeschwärmt. Nun aber hatte er sich auch in mein Herz gesprungen. Und so verfolgte ich in der Sport-Welt aufmerksam, was und wie Oldtimer alles gewann. Leider lief er ja meistens in den Hindernis-Hochburgen Baden-Baden, Bremen oder Hannover, die alle außerhalb meines Radius lagen. So musste ich bis zum Jahr 1991 warten, um Oldtimer wieder einmal live sehen zu können. Wieder ging es nach Krefeld, und wieder gewann Oldtimer, was umso bemerkenswerter ist, da er im Vorjahr nur einmal hatte herausgebracht werden können, ansonsten aber auf Feierschicht stand. Der inzwischen Achtjährige hatte nichts von seiner Faszination verloren, und ich bin froh, dass ich ihn noch einmal laufen und springen sehen konnte!
Bis in den April des folgenden Jahres lief Oldtimer weiter Rennen, und er verabschiedete sich standesgemäß mit einem Sieg in Bremen. Danach wurde er hauptsächlich außerhalb der Vollblutzucht eingesetzt. Die wenigen Vollblutfohlen, die er zeugte, haben nie eine Rennbahn betreten, aber für seine neuen Besitzer Anton Böckmann und Ullrich Kasselmann wurde Oldtimer für die Zuchten Hannover, Oldenburg und Mecklenburg anerkannt. Eine Reihe seiner Nachkommen sind im Turniersport erfolgreich, und sein Springtalent hat der Hengst offenbar an seinen (bis 2002) erfolgreichsten Nachkommen Orlando vererbt. Jener Anton Böckmann ist erst Anfang Oktober 2010 verstorben, doch konnte ich auf der Webseite dieses engagierten Züchters keine Spuren von Oldtimer mehr entdecken. Aber vielleicht weiß ja jemand unter den Lesern des Blogs mehr darüber, wie es mit Oldtimer, der, wenn er noch leben sollte, inzwischen siebenundzwanzig Jahre alt wäre, nach dem Ende seiner aktiven Rennlaufbahn weitergegangen ist.
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