Samstag, 7. Mai 2011

Vor 22 Jahren: Seifige Rivalen und ein Pferd namens Samurai

Am vergangenen Wochenende haben wir uns quasi als Überbrückung zwischen den Renntagen in Mülheim und Düsseldorf ein "Mini-Westbahnen-Forumstreffen" in rein weiblicher Besetzung bei mir zu Hause gegönnt, lecker gekocht, den Mai mit Frizzante begrüßt und uns einfach einen schönen Abend (bis ziemlich spät... früh... in die Nacht hinein) gemacht. Ein Programmpunkt dabei war die Initiation der jüngsten Anwesenden in die Kultserie des deutschen Galopprennsports, von der sie (dank TV-Übertragung aus Hoppegarten und Co.) bislang nur die Titelmelodie kannte. Extra zu diesem Zweck hatte ich die DVD-Ausgabe der Serie besorgt, von der nur eine einzige Staffel produziert wurde, die aber damals - vor immerhin schon 22 Jahren - in (fast) aller Munde war. Sie lief auf dem ehemaligen Sendeplatz der Schwarzwaldklinik und zog - Seichtheit und manchmal eher minder spannende Drehbücher hin oder her - für eine Weile enorm viel neues Publikum auf die deutschen Rennbahnen. 




Inzwischen habe ich mir die gesamte Serie auch als Gegengewicht zu einer Menge Korrekturkram noch einmal angesehen, musste über viele Dinge einfach nur schmunzeln und habe ansonsten fleißig "Jockeys-von-früher-Spotting" betrieben. Also geht es in diesem kleinen Erinnerungsbericht ausnahmsweise nicht um ein Pferd, auch nicht um einen Jockey, Trainer oder ein berühmtes Rennen, sondern zur Abwechslung um einen Meilenstein der deutschen Fernsehgeschichte - die Fernsehserie "Rivalen der Rennbahn", die vor 22 Jahren im ZDF ausgestrahlt wurde.




Es war einmal vor 22 Jahren

Heute geht es um den Rückblick auf ein Phänomen, das vor nunmehr zweiundzwanzig Jahren den Galopprennsport in die Schlagzeilen brachte und mit „Black Type“ ganz anderer Art dafür sorgte, dass zahlreiche Neugierige erstmals eine Rennbahn besuchten. Wer weiß – der eine oder andere Neueinsteiger von damals mag auch heute noch dabei sein, denn sind Sympathien erst einmal geweckt, können sie bei entsprechender Pflege sehr nachhaltig sein.

Wer waren nun diese Sympathieträger? Sie nannten sich „Rivalen“, und es war vor allem ein Vierbeiner namens Mazzoni, der über mehrere Jahre alle Blicke auf sich zog, egal wo er auf Deutschlands Rennbahnen auftauchte. Jener 1984 von Michael Becher und Johann Th. Pavenstedt gezogene Mazzoni entstammte zwar einer später durchaus prominenten Mutter namens Mole, aber anders als sein zwei Jahre jüngerer Bruder Mondrian hatte er nicht unbedingt herausragendes rennsportliches Talent mitbekommen. Fünf Siege gelangen ihm zwar in seiner immerhin acht Jahre währenden Rennbahnkarriere, doch war dies auf kleineren Bahnen wie jener von Bad Harzburg sowie seinem Lieblingsgeläuf in Herxheim der Fall, und ein Maximal-GAG von 60 blieb das Höchste der Gefühle. Mit den Leistungen seiner bevorzugt von Surumu stammenden Halbgeschwister Modigliani, Molto Bene, Masolino, Molto in Forma – und besonders natürlich Mondrian – konnte er sich aber nur bedingt messen.

Ein Star wurde der Alias Smith-Sohn Mazzoni dennoch, denn in der im Frühjahr 1989 ausgestrahlten ZDF-Fernsehserie „Rivalen der Rennbahn“ spielte er einen Hengst mit dem Namen Samurai, den bald eine ganze Generation von weiblichen Teenagern (und gerüchteweise auch andere Zuschauer!) anhimmelte. Alle wollten nun Samurai sehen, und so pilgerten sie eben zur Rennbahn, wo die Popularität der Geschichten um Ex-Jockey und Neu-Trainer Christian Adler, den fiesen Klaus-Otto Gruber, dessen intrigante Ehefrau Silvia mit einer Vorliebe für Mode in schwarz-rotem Leder und das nett-naive Stallmädchen Margit für PR-Zwecke optimal genutzt wurde.

In bester Manier dessen, was man heute eine Soap Opera nennt, lieferten die Rivalen der Rennbahn dem damals noch nicht von einer nahezu unübersichtlichen Auswahl an Kabel-, Satelliten- und Digitalkanälen „verwöhnten“ deutschen Fernsehpublikum ab dem 30. März 1989 elf Wochen lang Intrigen, Herzschmerz, Spannung, Dramatik – und vor allem jede Menge Rennsport. Die Grundidee der Serie ist rasch nacherzählt: Der erfolgreiche Jockey Christian Adler, dessen Ehe bereits in Gefahr ist, weil er den Versuchungen der reichen Silvia Gruber partout nicht widerstehen kann, verweigert sich der Teilnahme an einem von deren skrupellosem Ehemann angezettelten Wettbetrug. Damit ist sogleich eine Tatsache klar: Der von Thomas Fritsch gespielte Christian Adler ist einer von den „Guten“ – und als er wenig später in einem Rennen folgenschwer verunglückt, nur um Haaresbreite einer Querschnittlähmung entgeht und den Jockeyberuf schweren Herzens aufgeben muss, leidet das gesamte Publikum mit ihm.

In den sich anschließenden Folgen können die Zuschauer Christian Adler auf dem oft mühsamen Weg in eine neue Zukunft als Rennstalleiter/Trainer begleiten. Und die Serie lässt wahrlich nichts Aufregendes aus: Da gibt es erste Erfolge, helfende Hände, romantische Momente mit einer neuen Liebe, die ihm auch prompt ihre Pferde überstellt, aber auch Verschwörung und Enttäuschungen, da taucht ein zwielichtiger Bruder auf, ein Stall brennt nieder, die Pferde werden erst in letzter Sekunde gerettet, alte Liebe erwacht zögernd neu, um gleich wieder in Eifersucht zu ersticken, da feiern Adel und Neureiche, lästern übereinander und schließen Zweckallianzen oder Verschwörungsbündnisse, da gehen Stallmädchen, Trainer und Jockeys ihrem oft harten und nicht ungefährlichen Beruf nach, da wird (versehentlich) gedopt und gewettet, auf Auktionen teuer eingekauft, und immer wieder laufen in berauschenden Bildern, die die ganze Schönheit des Galopprennsports unterstreichen, Pferde vor einem sie enthusiastisch anfeuernden Publikum gegeneinander. Inmitten all des Trubels ist es aber vor allem die enge Beziehung zwischen Christian Adler und Samurai, die das Leitmotiv der Serie – Hoffnung und Glaube an den Underdog bei Mensch und Tier – symbolisiert... eine Botschaft, die bei den Fernsehzuschauern offenbar gut ankam.


Einmal pro Woche von März bis Mai 1989 liefen die inzwischen mehrfach wiederholten Folgen der Serie im Fernsehen – eine optimale Terminierung, denn die Rennsaison kam gerade so richtig in Fahrt, als die Popularität der „Rivalen der Rennbahn“ ihren Höhepunkt erreichte. Und auch bei den nicht fiktionalen Galoppern gab es in jenem Jahr viel Beeindruckendes mitzuerleben – sei es (wie passend!) die vierfache Gruppe-I-Serie von Mazzonis Halbruder Mondrian, die in seinem Derby-Triumph gipfelte, seien es die tollen Rennen von Turfkönig oder Filia Ardross oder Deutschlands absoluter Hindernis-König Oldtimer, der bei sage und schreibe acht Rennen ungeschlagen blieb... Auf Deutschlands Rennbahnen brummte es plötzlich wieder. Und daran hatten die Rivalen der Rennbahn durchaus ihren Anteil, so dass es auch nicht sehr verwunderte, als der Galopp Club Deutschland seine begehrte Auszeichnung GCD-Turfpersönlichkeit des Jahres 1989 ausnahmsweise nicht an einen Menschen, sondern an eine Fernsehserie verlieh.

Die Begeisterung jenes Jahres war so gewaltig, dass der Erfolg selbst dem SPIEGEL einen – natürlich süffisant zynischen – Artikel wert war, in dem der „Tele-Gaul ‚Samuraj’“, mit dem der Schreiber sonst wenig freundlich ins Gericht ging, immerhin flott zum Goldesel erklärt wurde. Kritikpunkte wurden gesucht und selbstredend gefunden – sei es nun in der das Publikum offenbar kaum störenden Wahrnehmung, dass „die seichten Stückchen zwischen Bahn und Bett, Stall und Salon eher träge dahinplätschern, Dialoge von schlichter Rede sind“, oder, was wesentlich schwerer wog, in Vorwürfen der Tierquälerei bei auf der Weidenpescher Rennbahn gedrehten Stuntszenen eines Sturzes mitten im vollen Renngalopp. War tatsächlich, wie vermutet, Schmierseife im Spiel? Lästermäuler urteilten, dass dies immerhin zum Charakter der Serie als Seifenoper passen würde.


Der Begeisterung tat dies jedoch keinen Abbruch. Immer wieder wurden in den Folgejahren Rufe nach einer – wohl ursprünglich auch fest eingeplanten – Fortsetzung der Serie laut. Als sich dieses Vorhaben aber mit verstreichender Zeit als unrealistisch erwies, wurden auch Vorwürfe gegen das Direktorium für Vollblutzucht und Rennen erhoben, man habe eine erstklassige Chance zur weiteren Popularitätsförderung einfach fahrlässig verstreichen lassen. Die Antwort von Pressesprecher Peter Brauer war deutlich formuliert und bietet nebenbei auch heute – obwohl inzwischen schon wieder einige Jahre ins Land gezogen sind – noch einen spannenden Blick hinter die Kulissen von Fernsehen und PR-Aktivitäten der Galopperwelt.


Und was wurde nun aus Mazzoni (alias Samurai), nachdem die Rivalen nach nur einer Saison von der Rennbahn galoppiert waren? Nun, als Sechsjähriger, im Jahr nach der Ausstrahlung der Heldentaten seines Alter Ego Samurai, erlebte er mit zwei Siegen seine beste Saison und gewann das Goldene Tabakblatt von Herxheim. Bis 1993 konnte man ihn – inzwischen neunjährig – am Start erleben, auch wenn der alte Ruhm des Pferdes, das seit Anfang 1988 in den Farben des Schauspielers Thomas Fritsch und der für „Rivalen der Rennbahn“ verantwortlichen Produktionsgesellschaft lief, mehr und mehr verblasste. Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn ging der Wallach, an dem zuletzt auch sein Trainer Robert Becker beteiligt gewesen war, in Privatbesitz über, lernte Dressur und verbrachte nach allen verfügbaren Informationen schließlich als „Rentner“ wohlverdiente Zeit auf der Koppel. Ob Mazzoni, der immerhin inzwischen siebenundzwanzig Jahre alt wäre, heute noch lebt, konnte ich mangels aktueller Daten nicht herausfinden.

Es ist wieder früh in der Saison, überall wird angefeuert durch neue Medienaktivitäten und scheinbar wachsende Besucherzahlen in den vergangenen Wochen von Aufbrüchen und Veränderungen gesprochen, und da kann man vielleicht auch ein wenig träumen und wilde Entwürfe machen...

Was wäre, wenn die Rivalen heute, unter sicher ganz anderen Bedingungen, wieder auf die Rennbahn zurückkehren würden? Welche Geschichten könnte man noch zusätzlich oder wieder neu erzählen? Wen würde das inzwischen an ganz andere Seherfahrungen gewöhnte deutsche Fernsehpublikum in einer Neuauflage der Sendung gerne erleben? Was müsste geschehen, um spannende Rennbahn-Geschichten zeitgemäß neu zu erzählen? Oder ist Fernsehen heute gar nicht mehr das unumschränkt einflussreiche und Meinungen prägende Medium, das es 1989 noch eher war? Müsste der Rennsport vielleicht auf ganz andere Mittel der medialen Popularitätssteigerung setzen?


Viele Fragen, die aus leicht seifigen Erinnerungen erwachsen können... Was bleibt sind ein musikalischer Ohrwurm und ein DVD-Set, mit dem man einige amüsant-nostalgische Stunden vor dem Fernseher verbringen kann.

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