Donnerstag, 26. Mai 2011

Vor 25 Jahren: Klassische Stuten

Nach zwei Wochen Rennbahnabstinenz freue ich mich schon jetzt sehr, dass sich dieser Zustand ohne grünen Rasen in den kommenden zehn Tagen gründlich ändern wird. Bilder und Videos sowie Rennbahnberichte (egal wie lebendig geschrieben) können das Live-Erlebnis eben einfach nicht ersetzen. Eine der Rennbahnen, die ich am Wochenende aufsuchen werde, ist natürlich am Samstag meine Heimatbahn in Mülheim an der Ruhr, die ich schon seit meiner Kinderzeit gut kenne. Hier ist mir fast jede Ecke vertraut - dachte ich zumindest... bis ich am vergangenen Renntag durch die beharrliche Einladung (man könnte es auch 'liebevolles Kidnapping' nennen) einer lieben Freundin, die dort regelmäßig zu tun hat, nach dem letzten Rennen mit in den Presseraum kommen durfte.

Nun weiß ich natürlich nicht, wie die Presseräume anderswo aussehen, aber sobald ich die Mülheimer Variante betreten hatte, bekam ich große Augen und konnte mich nur staunend immer wieder um die eigene Achse drehen. Der Grund? Nun, an den Wänden des Mülheimer Presseraums finden sich als Dekoration jede Menge hervorragender Fotos der Siegerinnen im Preis der Diana, seit dieser Stutenklassiker am Raffelberg ausgetragen wurde. Diese Ära begann 1948, nachdem das ursprünglich in Berlin beheimatete deutsche Gegenstück zu den englischen Oaks nach dem Zweiten Weltkrieg über eine kurze Zwischenstation in Düsseldorf quasi direkt vor meiner späteren Haustür landete. Seit 2003 ist auch diese Zeit leider, leider vorbei, denn der Preis der Diana wird nicht mehr hier, sondern nun (wieder) auf dem Grafenberg ausgetragen, wo er zweifellos eine würdige Heimat gefunden hat. Und trotzdem - es fehlt mir, dieses große Rennen, das in jedem Jahr ein Fixpunkt der Saison auf meiner Heimatrennbahn war.

Volles Haus am Raffelberg -
so habe ich aus meiner Kindheit die Diana-Renntage in Erinnerung


Kaum einen Preis der Diana habe ich verpasst, seit ich etwa im Grundschulalter war. Und so rief das Betreten des Presseraums in mir eine Fülle herrlicher Erinnerungen wach, denn hier waren sie alle vertreten, diese großartigen dreijährigen Stuten, die jeweils in ihrem Jahrgang an einem bestimmten Tag Ende Mai oder spätestens Anfang Juni die Besten waren. 

Bei Friedrichsruhs Sieg 1977 soll ich dabei gewesen sein, so wurde mir immer erzählt, und auch Leticias Triumph in den Fährhofer Farben 1980 muss ich wohl gesehen haben, selbst wenn mir hier die eigenen Erinnerungen fehlen. Ganz anders ist dies im Hinblick auf den Doppelsieg des ohnehin in diesem Rennen sehr erfolgreichen Stalls von Trainer Sven von Mitzlaff in den Jahren 1982 und 1983 mit Ultima Ratio und Novelle. Und dann war da am Ende meiner Grundschulzeit kaum einen Hufeisenwurf von der Rennbahn entfernt der kuriose Ausgang mit dem toten Rennen zwischen Las Vegas und Slenderella 1984. Später wurde sogar ein Vorbereitungsrennen nach diesen beiden Unzertrennlichen benannt, für die auf dem Geläuf spontan die Siegerschleife mit einer Schere geteilt werden musste.

Noch mehr Stuten fallen mir ein: Die fantastische Majorität 1987, dann 1988 die Diana-Siegerin mit dem wohl romantischsten Namen in der Siegerliste: Alte Zeit. Highness Lady, Martessa, Longa, Arkona aus dem in dieser Saison wieder so erfolgreich operierenden Gestüt Ebbesloh, dann 1994 die tolle Risen Raven, die ihrem Namen optisch alle Ehre machte und mich vom Führring bis zum Ziel begeisterte.
Meine Highlights unter all diesen vielen Rennen fallen aber in die zweite Hälfte der 1990er Jahre und begannen mit dem Diana-Erfolg der von mir sehr bewunderten Centaine. 


Centaines Diana-Sieg 1995


Sie hatte ich schon im Vorjahr bemerkt, als sie im Preis der Winterkönigin 1994 gute Vierte geworden war, und in mein Herz geschlossen. Wie immer, wenn ich mich in ein Pferd "verguckt" hatte, begeisterte mich ihr Sieg besonders, und so macht es mich auch sehr traurig, ausgerechnet heute beim Recherchieren diese aktuelle Nachricht auf der Website des Gestüts Itlingen zu finden, wo Centaine bei den Besitzern, für die sie seinerzeit auch den Preis der Diana gewann, als Zuchtstute stand:


Zumindest ich werde Centaine nie vergessen, denn für mich war sie neben Que Belle und Flamingo Road diejenige Diana-Siegerin, die ich am meisten mochte. Beeindruckend war auch der Sieg von Elle Danzig 1998, auch wenn ich dem Pferd selbst eher wenig abgewinnen konnte. Im Jahre 2002 habe ich dann meinen letzten Preis der Diana am Mülheimer Raffelberg miterlebt, in dem die großartige Salve Regina "meiner" Midnight Angel knapp das Nachsehen gab. 

Und im Presseraum sind sie und viele weitere Diana-Siegerinnen alle gewürdigt. Großformatiges Foto reiht sich hier an großformatiges Foto, mehrere Reihen unter- und übereinander, so dass drei Wände beinahe komplett gefüllt sind. Und da es eigentlich viel zu viele Namen sind, um sie in einem einzigen Beitrag zu würdigen, habe ich mich im vergangenen Jahr entschieden, einfach mal mit einer Stute anzufangen, die zur Diana-Siegerin avancierte. Mehr von ihnen werden sicher nach und nach folgen, aber die Geschichte der Stute, die das große Rennen 1985 gewinnen konnte, ist in der Tat außergewöhnlich. Es ist die Geschichte von Padang... 


Es war einmal vor 25 Jahren

Es ist sicher nicht von der Hand zu weisen, dass der eine oder andere Besucher mit etwas Hintergrundkenntnis an großen Renntagen mit sportlich anspruchsvollen Rennen auch deshalb auf die Rennbahn geht, weil er eben die bereits etablierten Stars bewundern möchte. In der Tat ist es schon ein ganz besonderes Gefühl, vor einem Grupperennen im Führring die vierbeinigen Helden an sich vorbeiziehen zu sehen und mit anderen Beobachtern darüber zu spekulieren, welches der Pferde sich im bevorstehenden Wettkampf eine weitere Auszeichnung holen wird. Manchmal – recht oft sogar – gewinnen ja dann auch die gemeinten Favoriten, die bereits früher auf der Rennbahn für Furore gesorgt haben, und der Zuschauer kann mit einem zufriedenen Grinsen feststellen, dass er diesen Sieg doch irgendwie schon vorausgeahnt hat.

Manchmal aber... ja, manchmal kommt es auch in den ganz großen, selbst in den klassischen Rennen zu einem verblüffenden Zieleinlauf, den so eigentlich kaum jemand auf der Rechnung hatte. So mag es dem einen oder anderen Rennbahnbesucher auch am 26. Mai 1985 gegangen sein, als der Preis der Diana entschieden worden war. Dass die Siegerin Padang heißen würde, dass es sich zudem um eine Stute handeln sollte, die in dieser großen Prüfung überhaupt erst ihren zweiten Lebensstart absolvierte und als noch siegloses Pferd in die Boxen einrückte, war so eindeutig nicht vorauszusehen. Überhaupt hatte vor dem Start des Rennens rein nach Papierform nicht so besonders viel auf Padang hingedeutet.

Einzig die Tatsache, dass es sich bei ihr um eine Fährhoferin handelte und somit um eine weitere Repräsentantin der in jener Saison 1985 dank Acatenango, Lirung und Abary sensationell erfolgreichen gelb-schwarzen Rennfarben, mochte vorab für sie gesprochen haben. Insgesamt aber hatten die Wetter kaum mit Padang gerechnet, deren Erfolg locker und leicht mit sicher fünf Längen Vorsprung zustande kam. Es war quasi eine Traumkarriere, die die Fährhoferin da auf den Rasen der Mülheimer Galopprennbahn gezaubert hatte. Ihrem Sieg haftete schon etwas Märchenhaftes an, zumal es ihr einziger Lebenssieg bleiben sollte. Fünfmal kam Padang überhaupt nur an den Start, und ausgerechnet im größten Rennen ihres Lebens fand sie zu perfekter Form, wurde klassische Siegerin und durfte sich laut Album des Rennsports als „souveräne Königin“ unter den deutschen Stuten betrachten.

Ähnliche Großtaten gelangen ihr anschließend nicht mehr. Ein Ehrenplatz im Listenrennen hinter Kleopatra, die sie zuvor im Preis der Diana noch locker auf Abstand gehalten hatte, ist positiv zu verbuchen, aber danach lief bei zwei weiteren Starts nicht mehr viel zusammen. Sei’s drum – Padang war eben genau in jenem Moment topfit gewesen, in dem es wirklich darauf ankam, und so wurde sie unter Jockey Georg Bocskai zur Diana-Siegerin des Jahres 1985.

Dass ich in unmittelbarer Nähe zur Mülheimer Rennbahn aufgewachsen bin, habe ich ja schon mehrfach erzählt. Und auch wenn außer meinem Onkel niemand in meiner Familie viel Interesse am Rennsport entwickelte, gab es doch einen festen Termin für einen Familienausflug zum Raffelberg, der eigentlich in keinem Jahr ausgelassen wurde. Der Preis der Diana gehörte zum Pflichtprogramm, gerne mit Kind, Kegel und Picknicktasche. Mir war es recht, denn ich hatte – obwohl erst zehn Jahre alt – das Rennen des Vorjahres noch in bester Erinnerung, als es zwischen Las Vegas und Slenderella so knapp gewesen war, dass selbst das Zielfoto die beiden Stuten nicht klar voneinander trennen konnte und darum auf dem Geläuf die Siegerschleife für die doppelte Ehrung kurzerhand geteilt wurde. Irgendwie hatte ich wohl gehofft, dass es wieder ähnlich spannend werden würde, aber meine Favoritin hieß (wir hatten das Thema „Ägypten“ gerade in der fünften Klasse in Geschichte behandelt) eindeutig Kleopatra. Die allerdings hatte an jenem Tag Ende Mai 1985 in Mülheim nichts mit der engeren Rennentscheidung zu tun und sollte sich erst im weiteren Verlauf der Saison wieder von besserer Seite präsentieren.

Der Triumph am Raffelberg gehörte allein Padang, deren Hintergrundgeschichte sie zwar wahrlich nicht zur Favoritin gestempelt hatte, ihren Sieg aber doch auch wieder zu etwas Besonderem machte, denn immerhin war sie noch sieglos angetreten, obwohl sie schon einmal in einem Rennen – eben bei ihrem ersten Lebensstart im März 1985 – als erstes Pferd im Ziel gewesen war. Dieser Sieg im Kugelbrunnen-Rennen in Köln, der hochüberlegen mit einer Weile Vorsprung ausgefallen war, war ihr allerdings nachträglich wieder aberkannt worden, weil sie – wie man heute sagen würde – bei einer Dopingkontrolle negativ aufgefallen war. Es wurde ein entzündungshemmendes Medikament festgestellt, woraufhin Padang disqualifiziert und mit einer Startsperre belegt wurde. Durch eben diese Startsperre, die sage und schreibe erst vier Tage vor ihrem Diana-Sieg endete, war der Fährhoferin jede Chance genommen, vorher noch einmal unter Beweis zu stellen, dass sie auch ungedopt sehr gut laufen konnte. Auch das Sammeln weiterer Routine schied somit aus, und deshalb kam es zu jener ungewöhnlichen Entscheidung, ein noch siegloses Pferd gleich beim zweiten Versuch in das Rennen aller Rennen für dreijährige Stuten zu entsenden. Dieser unorthodoxe Mut hat sich für Trainer Heinz Jentzsch und die Besitzer Padangs vom Gestüt Fährhof reichlich ausgezahlt.

War Padang nun auch wirklich die beste Stute ihres Jahrgangs? Das wohl eher nicht... Andere im Preis der Diana noch geschlagene Pferdedamen wie etwa ARAG-Preis-Siegerin Grimpola, die Zoppenbroicherin Kaiserstadt und „meine“ Favoritin Kleopatra waren ihr wohl zumindest ebenbürtig, so dass die einschlägigen Prüfungen für dreijährige Stuten in der Saison 1985 ein uneinheitliches Bild abgeben. Mal gewann die eine, dann war wieder die andere Stute vorne. Wenn sie auf Gäste aus dem Ausland trafen, mussten die deutschen Starterinnen teils empfindlich zurückstehen – ein Los, das 1985 nicht nur die Diana-Siegerin Padang traf. So war es wohl auch nur folgerichtig, dass sie nach jenem Jahr aus dem Rennstall genommen wurde und im Gestüt Fährhof die Mutterstutenherde bereicherte. Der ganz durchschlagende Erfolg unter ihren Nachkommen, von denen der 1990 geborene Penol neben dem Ausgleich-I-Pferd Pacon (*1993) wohl der Beste war, blieb aber aus. Vermutlich wurde Padang deshalb Mitte der 1990er Jahre an Dr. O. Herminghaus verkauft, für den sie 2004 auch das letzte Fohlen brachte.


Padangs Geschichte ist nur eine von vielen anderen Diana-Geschichten, die man erzählen könnte. Eigentlich, ja... eigentlich sollte es ein Buch über diese tollen Stuten und über die wechselvolle Geschichte des Rennens an sich geben, ähnlich vielleicht wie das wunderbare Derby-Buch. Das wäre doch mal eine Idee! 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen